JOCHEN HÖLLER – EIN ZUSTAND
Wie entsprungen bei vielen ist der Urzustand des Schaffens von Höller ein Fiebertraum, welcher sich bis heute in neuro-somatischen Kreisläufen feuernder Hirn-Hand-Kopplungen niederschlägt. So werden schon früh die REM-Phasen geistreicher Rekombinatorik in ordnendes Chaos übersetzt. Ordnung als der Kreativität des Zufalls inhärent, doch einem im Prinzip eigenartigen Programm der Dekonstruktion unterlegen, welches als Konfigurationsmethode eine fast erschreckende Detailverliebtheit vermuten lässt. Vorab muss darauf hingewiesen sein, dass hierbei anhand von Unwesentlichem reflektiert wird, entmenschlicht und externalisiert, in sich als Dingliches ruhend. Die Beschreibung einer spielenden Liebhaberei, eines aus Philosophie und Emotion entsprungenem Kleinods, ist bewusst einer rational-stringentem Bezeichnung vorgezogen.
Klaus Mainzer schreibt: »Am Anfang der Information steht der Zufall«. Information wird somit dem inflationären Gebrauch einer Alltagssprache entzogen und als Daten, Dinge, Formen und Aktionen in Formation erachtet. Als Synonym für eine unerschlossen-komplexe Vielheit aleatorischer Komposition von Mengen und Mannigfaltigkeit. Höllers Mengenlehre gestaltet sich individulell und doch in Verwandtschaft zum Kontinuum von in Formation gebrachten unterscheidbaren Objekten. Konsequent fehlerhaft, wie es dem menschlichen Wesen anhaftet, sowie es seine größte Tugend zu sein scheint, steht als Fähigkeit zur Disposition. Doch Höller arbeitet immer nach bestem Wissen und Gewissen. Somit wird Fehlerfreundlichkeit zur Quelle eines Repertoires, das mit unzähligen Materialien fusioniert. Ob Alltagsobjekte, Bücher oder Bildbände, Komplexität wird nicht reduziert sondern geschaffen indem Elemente ihrer ursprünglich klar kontextualisierten Kontingenz entzogen werden, um sie in minutiöser Liebhaberei neu kollidieren zu lassen. Dazu Michel Foucault: »das Zeitalter des Ähnlichen ist im Begriff sich abzuschliessen. Hinter sich lässt es nur Spiele, deren Zauberkräfte um jene neue Verwandtschaft der Ähnlichkeit und der Illusion wachsen«. Was bleibt ist Zeit für Imagination, ludisches Experiment eines nie enden wollenden Zufalls, ornamentale Ensemblaje von Materialverwandtschaften und kontextuellem Wahnsinn. Welcher künstlerische Tauglichkeits-kalkül dem zugrunde liegt wird zur aufregenden Nebensache. Abgesehen davon, dass die Kunst des Selbstzwecks ihre Berechtigung seit Jahrhunderten zurecht zum Anlass nimmt, sich konstruktiv in Lebenswelt einzumischen, so bleibt dem Rezipienten die Gabe einer unverbindlichen Inspirationslücke im offenen Austausch der Sinne.
Eine Einladung um in das Multiversum höllerscher Mengen und dessen Ästhetik der Fülle einzutauchen. Ein Zustand offensichtlicher Unvermeidbarkeit mit der engagierten Zielsetzung von passender Reihung in Kleinstteile. Dessen Zuständigkeit kann nur in der Expositur des Ausprobierens und somit konsequent ergebnisoffenen, endlichen Häufungen von symbolisch-semantischen Elementarteilchen ersehnt werden. Die offensichtliche Unvermeidbarkeit einer Zielsetzung wird in unüberschaubaren Details zerlegter Ganzheit so überzeugend übergeliefert, dass diese Methode den blickenden Konstruktivismus kognitiv überrumpelt. Sinnliche Anordnung trumpft einem Moment rationaler Lesbarkeit.
Autor: Georg Russegger